1. Febr. 2018

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Fledermäuse: bedrohte Jäger, die mit den Ohren sehen

Angelika Greif

Wer in den wärmeren Zeiten des Jahres gegen Tagesende die Natur beobachtet, kann sie mit ein bisschen Glück entdecken – Fledermäuse, die, nun ausgeschlafen, hungrig und nahezu geräuschlos, am dämmrigen Abendhimmel ihre Flugkunst unter Beweis stellen.

Das Wort „geräuschlos“ ist in diesem Zusammenhang allerdings nicht ganz passend. Vielmehr sind es unsere Ohren, die taub sind für die Lautäußerungen der Fledermäuse – ein Vorteil für uns, denn würden wir in ihrem Sendebereich von etwa 20 bis zu 100 Kilohertz hören können, könnte ebenso gut ein Düsenflugzeug an uns vorbeifliegen.

Wenn sie jagen, stoßen die fliegenden Säugetiere über Maul oder Nase permanent Laute aus. Die ausgesendeten Schallwellen treffen auf die potenzielle Beute, werden reflektiert und treffen wieder auf das hochsensible Fledermausohr. Und nun besteht kein Zweifel mehr über Form, Größe und Bewegungsrichtung des Opfers. So ist die Fähigkeit zur Echo-Ortung, die im Tierreich ihresgleichen sucht, für die nachtaktiven Fledermäuse das, was für die tagaktiven Jäger der Gesichtssinn ist: Fledermäuse sehen mit den Ohren!

Solange dieses biologische Faktum dem Menschen ein Rätsel aufgab, hat er der Fledermaus in seiner mythologischen Welt einen eher negativ besetzten Platz zugeordnet. Im Mittelalter galten sie als Verbündete des Teufels – wie ließ es sich anders erklären, dass diese Wesen entgegen der göttlichen Ordnung tagsüber schliefen und nachts aktiv waren, sich im Dunklen orientierten und ihnen dunkle Flughäute statt der mit Federn ausgestatteten Flügel von Vögeln oder Engeln zur Verfügung standen?

In jener Zeit fanden so viele Tiere ihr Ende als Zutat von Zaubertränken, wurden als Dämonen gejagt oder als Schutz vor bösen Mächten an Türen genagelt. Heutzutage erfolgt ihr Verschwinden geräuschloser, aber wesentlich durchschlagender: Von den 22 in Nordrhein-Westfalen vorkommenden Fledermausarten stehen alle ausnahmslos auf der „Roten Liste“, davon sind 21 gefährdet, extrem selten, verschollen, vom Aussterben bedroht – oder sie sind, wie die Große und die Kleine Hufeisennase, bereits ausgestorben.

Die Gefährdungen sind vielfältig und greifen ineinander; an dieser Stelle seien nur zwei genannt. Da wären einmal die Insektizide: Fledermäuse sind Insektenjäger. In einer Agrarwirtschaft, deren Produktivität maßgeblich an den Pestizideinsatz gebunden ist, aber auch im eigenen Garten wird die Nahrungsgrundlage der Fledermäuse erstens kontaminiert und zweitens dezimiert.

Die Pestizide, die die Fledermaus über die Nahrung aufnimmt, werden im Speicherfett eingelagert. Fährt die Fledermaus zum Ende des Winterschlafs ihren Stoffwechsel wieder hoch, werden die gespeicherten Insektizide schlagartig freigesetzt – und das Tier stirbt im schlimmsten Fall an innerer Vergiftung.

Der zweite Grund: Eine Fledermaus vertilgt pro Nacht eine Insektenmasse, die etwa einem Drittel ihres eigenen Körpergewichts entspricht – wenn sie sie noch findet. Doch das Insektensterben ist heute eine wissenschaftlich nachgewiesene Tatsache. Erschreckendes Ergebnis einer Langzeitstudie, deren Datenbasis 23 Jahre umfasst: Die Fluginsekten-Biomasse ist seit 1989 bundesweit um 76 Prozent zurückgegangen – wohlgemerkt, die Beprobungen erfolgten nicht in ausgeräumten Äckern, sondern in Naturschutzgebieten. Was es auch für Fledermäuse heißt, wenn die Nahrungsgrundlage derart dramatisch zurückgeht, versteht sich von selbst. Was kann man also als Gartenbesitzer zum Schutz der Fledermäuse tun? Keine Pestizide benutzen, den nachtaktiven Insekten im Garten eine Nahrungsgrundlage schaffen, die ihrerseits Nahrung der Fledermäuse sind, Fledermauskästen als Ersatz für den fortschreitenden Verlust natürlicher Quartiere anbieten – und sich faszinieren lassen von Lebewesen, deren Existenz und Verschwinden ebenfalls ein Maß für die Intaktheit unserer Lebenswelt ist.

Auch in China hat die Fledermaus symbolische Bedeutung. Das Wort „fu“ meint zweierlei: Fledermaus und Glück. Bleibt zu wünschen, dass diese Tiere neben allen Schutzmaßnahmen auch das Quäntchen Glück zur Arterhaltung nicht vorenthalten bleibt. Sie können es brauchen . . .

 

voriger Artikel ← | → nächster Artikel

Auswahl nach Erscheinungsdatum

Auswahl nach Themenstichwort

Startseite

zuletzt bearbeitet am 28.III.2018