28. Sept. 2017

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Die Kermesbeere: eine Pflanze zum Hingucken und ein ansehnlicher Exot

Karl Josef Strank

In den letzten Wochen und Monaten erreichten mich einige Anfragen von botanisch interessierten Menschen, die in ihrem Garten, in Parks oder am Wegesrand eine durchaus stattliche und auffallende Pflanze mit exotischem Aussehen gefunden hatten. Ins Auge fallendes Merkmal sind die länglichen Fruchtstände mit dunkelroten, in der Endreife fast schwarzen Beeren, die einen tiefroten fast schwarzen Saft enthalten. Die immer gleiche Frage lautete: Was ist das?

Tropisch bis subtropisch

Es handelt sich um eine Kermesbeere, von denen es weltweit etwa 35 Arten gibt. Sie bildet mit einigen anderen Gattungen die relativ kleine und überschaubare Familie der Kermesbeerengewächse, die vorwiegend tropisch bis subtropisch verbreitet ist. Bei uns ist sie im Wesentlichen mit zwei Arten vertreten, der Amerikanischen und der Asiatischen Kermesbeere; die eine ist aus der Neuen und die andere aus der Alten Welt zu uns gelangt. Wegen ihres durchaus ansehnlichen Schmuckwertes geschah das über Gärten insbesondere auch die Botanischen Gärten.

1712 beschrieb Engelbert Kaempfer, der als Arzt in Diensten der Niederländischen Ostindien Kompanie stand, in seinem Werk „Aemoenitatum exoticarum“ unter den japanischen Namen Sjooriku und Jamna gola eine Kermesbeere. Nach heutigem Kenntnisstand handelte es sich dabei wohl um Phytolacca esculenta van Houtte, die inzwischen unter der Art acinosa Roxb gefasst wird. In Japan und China wird sie wegen ihrer essbaren Blätter kultiviert. P. acinosa wurde auch in Indien als Gemüsepflanze kultiviert und ist von dort schließlich gegen Ende des 18. Jahrhunderts nach Europa gelangt. Kennzeichnend sind acht Staubblätter und eine achtteilige Frucht, weshalb sie 1799 im Botanischen Garten Halle als P. octandra (achtmännig) geführt wird. 1808 erscheint sie im Botanischen Garten in Berlin und 1817 im Breiterschen Garten in Leipzig. Carl Johann Maximowicz, deutsch-russischer Botaniker aus Tula, gab sie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als Samen weiter nach St. Petersburg. Deutlich früher kam die in den östlichen und südlichen USA und Mexiko beheimatete P. americana L., die kennzeichnend decandra (zehnmännig) mit ebensolcher zehnteiliger Frucht ausgestattet ist, nach Europa. Bereits 1615 wurde sie in England kultiviert. Zwischen 1630 und 1651 ist sie unter dem Namen Amaranthus baccifer in den herzoglich braunschweigischen Gärten in Deutschland verzeichnet. Spätestens 1684 erscheint sie unter dem gleichen Namen in den kurfürstlich brandenburgischen Gärten in Berlin. Johann Sigismund Elsholtz verwendet in seiner Schrift „Vom Garten Baw“ für die Kermesbeere den Namen „Tausendschön mit Beeren“.

Der rote Farbstoff

Weitere Namen sind aus der Literatur nachweisbar: John Parkinson in Theatrum botanicum von 1640: Solanum magnum virginianum rubrum. Leonhard Plukenet 1696: Solanum racemosum americanum. 1700 prägte dann der französische Botaniker Joseph Pitton de Tournefort den Namen Phytolacca aus den Worten gr. phýton für Pflanze und lat. lacca für die Kermes-Schildlaus und dem aus ihr bereiteten rote Farbstoff.

Den sehr intensiven roten Farbstoff gewinnt man aus den trächtigen Weibchen dieser und einiger verwandten anderen Schildläuse, die getrocknet als grana kermes bezeichnet, schon die antiken Völker zum Färben von Purpur verwendeten.

Der Farbstoff der Kermesbeere ist sehr intensiv und ähnelt dem der Roten Bete. Den Saft der reifen Kermesbeeren verwendete man zum Färben von Rotweinen, denn nicht alle Rebsorten lieferten durch die eigenen Trauben das kräftige Dunkelrot, das für gewöhnlich von einem Rotwein erwartet wird. Den tiefroten Saft verwendete man ferner zum Färben von Likören, Süßwaren und Schminke. Weine dürfen heute nicht mehr auf diese Weise geschönt werden. Es ist aber auch deswegen nicht mehr erlaubt, weil der Saft der Kermesbeere eine stark abführende Wirkung hat. Noch heute kann man wegen des früheren Gebrauchs die Kermesbeere gepflanzt oder verwildert gelegentlich häufig in Weinbaugebieten antreffen.

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zuletzt bearbeitet am 27.X.2017