2.Febr.2017

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Auf der Jagd nach Exoten – Pflanzensammler haben auch heute noch gut zu tun

Ruth Gestrich-Schmitz

Ob im Blumengeschäft, im Gartencenter oder im Internet, die Vielfalt an angebotenen Pflanzen heutzutage ist immens groß und lässt die Herzen von Blumenliebhabern und Hobbygärtnern höher schlagen. Vor dem Valentinstag und dem Muttertag werden exotische Blumen als Massenware sogar in Discountern zu Billigpreisen angeboten. Doch kaum jemand weiß, wann und wie und unter welchen Mühen Orchideen, Hortensien, Pelargonien, Kakteen, Safran, Zimt oder Muskatnuss in unsere Breiten gekommen sind.

Seit jeher sammeln Menschen Pflanzen – für die Ernährung, als Heilmittel, für religiöse Zeremonien. Schon im alten Ägypten schickte die Pharaonin Hatschepsut um 1500 v.Chr. eine Expedition in das Land Punt, um Weihrauchpflanzen für ihre Tempelanlage zu besorgen. Mit den Römern gelangten Wein, Edelkastanien und viele andere mediterrane Gewächse über die Alpen nach Mitteleuropa und England. Die Entdeckung fremder Kontinente und die Kolonialzeit machten es den Europäern möglich, exotische Pflanzen zu entdecken und mit nach Europa zu bringen, wo die Begeisterung über die Vielfalt immer größer wurde und damit auch die Begierde danach. Zuerst sammelten meist Mediziner, die sich mit Pflanzenkunde auskannten, in fernen Ländern fremde Pflanzen, welche in den ab 1543 entstehenden Botanischen Gärten angesiedelt wurden. Pflanzensammler, auch plant hunter, Pflanzenjäger genannt, müssen Besessene gewesen sein. Denn wer unterzieht sich solchen Strapazen und Gefahren für Leib und Leben, um Pflanzen zu erkunden? Oft waren die Naturforscher Monate bis Jahre auf Überseeseglern unter katastrophalen hygienischen Bedingungen unterwegs, meist im Auftrag von Handelsgesellschaften, Fürsten oder reichen Kaufleuten. Häufig überlebten die gesammelten Pflanzen und Samen wegen der schlechten Bedingungen an Bord die Reise nicht. Sir Joseph Banks (gilt als Vater der modernen Reisebotanik), Sir Joseph Dalton Hooker (entdeckte im Himalaya neue Rhododendron-Arten), David Douglas (Namensgeber für die Douglasie), Ernest Wilson (brachte aus China Samen des Taschentuchbaums, die Königslilie und die Kiwi mit) und viele mehr bereisten im 18. und 19.Jh. die Kontinente für die Kolonialmacht England und bereicherten damit die englischen Gärten. Als Arzt im Dienste der Niederländischen Ostindien-Kompanie ging der Deutsche Paul Herrmann im 17.Jh. in Südafrika auf Pflanzenjagd und brachte von dort u.a. Pelargonien und Mittagsblumen mit, von seiner Reise nach Sri Lanka Gewürzpflanzen wie den ceylonesischen Zimt. Alexander von Humboldt und Aimé Bonpland sammelten von 1799 bis 1804 über 6000 Pflanzen in Süd- und Mittelamerika. „Pflanzen, deren Saat sie von unterwegs schickten, blühen in den Gewächshäusern von Paris. In privaten Wintergärten duften Kamelien und Jasmin. Gewächse tropischer Länder sind der letzte Schrei.“, so Kej Hielscher und Renate Hücking in ihrem Buch „Pflanzenjäger“. Humboldt schickte von der Forschungsreise auch Erlebnisberichte nach Berlin, die mit Begeisterung gelesen und besprochen wurden. Philipp Franz von Siebold, als Arzt in Japan tätig, studierte die japanische Flora und Fauna und brachte Zierpflanzen wie Hortensien und Blauregen nach Europa. Als eine der wenigen weiblichen Pflanzenjäger sammelte die Botanik-begeisterte Amalie Dietrich im Auftrag des Hamburger Reeders Godeffroy Pflanzen und Tiere in Australien für dessen Naturkundemuseum. Im 19.Jh. wurde das Gärtnern immer populärer und die Nachfrage nach exotischen Pflanzen stieg. Pflanzenjäger wurden nun gezielt auf die Suche geschickt, um den Bedarf zu befriedigen. So war Wilhelm Micholitz im Auftrag des Orchideenhändlers Frederik Sander auf der Jagd nach den begehrten Gewächsen in den Monsungebieten Südostasiens unterwegs. Gerade die vielen Orchideenjäger räumten dabei häufig ganze Landstriche ab. Die Gewinnsucht war teilweise so groß, dass man dabei die Ausrottung bestimmter Arten an ihren natürlichen Standorten in Kauf nahm.

Auch heutzutage sind Pflanzenjäger unterwegs, meist um schon bekannte Arten wieder zu entdecken und deren Standorte zu kartieren oder um attraktive Wildpflanzen als Grundlage für die Züchtung von Kulturpflanzen zu finden. In der Pharma- und Kosmetikindustrie besteht ebenfalls Interesse an bisher nicht erforschten Heilpflanzen.

Um jedoch der Ausrottung wild lebender Pflanzen- und Tierarten entgegenzutreten, trat 1975 das internationale Washingtoner Artenschutzabkommen CITES (Convention on International Trade in Endangered Species of Wild Flora and Fauna) in Kraft, das derzeit in 183 Vertragsstaaten gilt (WWF, Stand Sept. 2016).

Orchidee im Palmengarten von
Schloss Schönrunn in Wien

 

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zuletzt bearbeitet am 12.IV.2017