4.Aug. 2016

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Das Stoppelfeld – ein aussterbendes Biotop

Joachim Schmitz

Als Kind hatte ich mal im Hochsommer in einem Stoppelfeld Fußball gespielt und mir dabei einen erheblichen Hautausschlag zugezogen. Seither weiß ich, dass man sich als Heuschnupfengeplagter nicht nur vor Pollen, sondern auch vor staubfeinen Schnittresten von Gräsern hüten muss. Das ist lange her, aber Hand aufs Herz: Wann haben Sie denn zum letzten Mal ein Stoppelfeld gesehen?

Stoppelfelder sind eine typische Erscheinung der traditionellen Dreifelderwirtschaft. Als es noch keinen Kunstdünger geschweige denn Massenviehhaltung und Güllewirtschaft gab, war an einen ununterbrochenen Anbau von Getreide nicht zu denken. In dreijährigem Rhythmus wurde zuerst Wintergetreide, dann Sommergetreide angebaut, und dann die Fläche ein Jahr lang brach liegen gelassen, damit sich der Boden wieder erholen kann, wozu auch Weidevieh auf die Fläche geführt wurde.

Planmäßiger Ackerbau ist vor ungefähr 10000 Jahren in einer Gegend entstanden, die die Bibel bezeichnenderweise das Land, „wo Milch und Honig fließen“, nennt. Heute gehört das u.a. zu Syrien, Irak und Iran. Danach ist der Ackerbau langsam auch bis nach Mitteleuropa vorgedrungen. Dabei sind nicht nur die Getreidearten von ihrer ursprünglichen Heimat nach Mitteleuropa gelangt, auch begleitende Arten der ursprünglichen Flora sind als Ackerwildkräuter eingeschleppt worden.

Die meisten dieser Arten wie Echte Kamille, Kornblume oder Klatsch-Mohn blühen mit dem Getreide im frühen Sommer. Es gibt aber auch Spezialisten für Stoppelfelder. Das sind kleinwüchsige Pflanzen, die erst, wenn nach der Ernte wieder Licht auf den Boden fällt, zur vollen Entwicklung und zur Blüte kommen. Ein Beispiel ist das abgebildete Spießblättrige Tännelkraut (Kickxia elatine). Die unscheinbare Pflanze wächst kriechend auf dem Ackerboden. Erst nach der Ernte erscheinen an langen, dünnen Stielen die Blüten, die wie winzige Löwenmäulchen aussehen. Tatsächlich ist die Art auch mit Löwenmäulchen verwandt.

 Das Tännelkraut ist auf Stoppelfelder spezialisiert.

 

Pflanzen sind der Anfang jeder Nahrungskette. Und so profitieren natürlich auch Tiere vom Nahrungsangebot auf dem Stoppelfeld. Ein typisches Beispiel ist die Wachtel, die wie Getreide und Begleitpflanzen ursprünglich aus Grassteppen stammt und mit der Erfindung der planmäßigen Landwirtschaft zum Kulturfolger geworden ist.

In der klassischen Dreifelderwirtschaft lagen die Stoppelfelder monatelang brach. Das kann sich heute kein Landwirt mehr leisten. Man kann aber immer häufiger beobachten, dass Stoppelfelder nicht einmal mehr ein paar Wochen liegen gelassen, sondern sofort nach der Ernte umgebrochen werden. Entweder kommt gleich die nächste Kultur oder es wird eine Grünsaat ausgebracht (Acker-Senf, Alexandriner Klee usw.). Die typischen Pflanzen und Tiere eines Stoppelfelds haben so jedenfalls keine Chance mehr.

Da man wirtschaftlich genutzte Flächen nicht unter Naturschutz stellen kann, bleibt als Ausweg der Vertragsnaturschutz. Dabei verpflichten sich Landwirte zum Verzicht auf bestimmte Eingriffe und erhalten dafür eine Entschädigung. Angefangen hat das in den 1980er-Jahren mit dem von Prof. Schumacher (Bonn) initiierten Ackerrandstreifenprogramm, bei dem Landwirte in der Eifel dafür bezahlt wurden, auf Spritzmittel zu verzichten. Heute sind in Nordrhein-Westfalen daraus zahlreiche „Pakete“ entstanden. Zum Thema passt das Paket 5024: „Stehen lassen von (…) Getreidestoppeln“. Für das Stehenlassen von Stoppeln über Winter bis zum 28. Februar und den Verzicht auf Herbizide erhalten Vertragslandwirte 220 €/ha. Als dadurch geförderte Arten werden Goldammer, Finken, Lerchen, Rebhuhn, Rotmilan und Feldhase genannt.

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zuletzt bearbeitet am 11.VIII.2016