5.Febr.2015

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Von der Todesinsel zum Baum der bösen Geister bis zum Möbelstück

Thomas Eßing

Wer dieser Tage entlang von Bächen und feuchten Niederungen wandert joggt oder walkt, stößt auf eine dunkel wirkende Baumart, die voll behangen ist mit Trauben von kleinen Zapfen und hängenden Kätzchen. Die Kätzchen ähneln denen der Haselnusssträucher, von denen momentan auch viele schwer behangen sind. In Kombination wirken die Fruchtstände der Schwarzerle, die den botanischen Namen Alnus glutinosa trägt, dunkel und geheimnisvoll, und erinnern von weitem an flechtenbehangene Bäume auf nebeligen Berghängen. Diese optische Besonderheit der winterlichen Erle mag wohl der Grund für ihre mythische Bedeutung sein, die bis ins alte Griechenland zurückreicht.

So wurde in Homers „Odyssee“ eine erlenbewachsene Insel zur Todesinsel „Aia“ erklärt. Dann später im Mittelalter galt die Erle als Baum der bösen Geister, des Teufels und der Hexen. Sie wuchs ja schließlich bevorzugt an den Rändern der „menschenverschlingenden Moore“ und der „mückengebärenden Tümpel“. In der Neuzeit widmete Goethe dem Baum das Gedicht „Erlkönig“. Hierin spricht der Erlkönig zum Sohn des durch windige Nacht reitenden Vaters den bekannten Satz: „Und bist Du nicht willig, so brauch ich Gewalt“. Das Gedicht endet auf tragische Weise, indem der Erlkönig dem Kind Leid antut, sodass es stirbt, als der Reiter den Hof erreicht hat.

In heutiger Zeit fällt der Name Erle häufig in Zusammenhang mit Pollen und durch sie hervorgerufene Allergien. So ist sie eine der ersten Gehölze, die im frühen Frühjahr lang anhaltend blüht. Wie bei vielen heimischen Baumarten unserer Breiten ist die Blüte unscheinbar. Die nach der Befruchtung im Sommer entstehenden geflügelten Samen werden erst im Laufe des folgenden Winters aus den dunklen Zapfen freigesetzt. Sie können bei Sturm weit getragen werden, und erreichen problemlos unbewachsene Flächen, die z.B. durch Überflutungen entstanden sind und optimale Bedingungen zur Keimung bieten. Hier ist die Schwarzerle dann oft die erste Baumart, die den Lebensraum neu besiedeln kann. Die Erle hat sich solchen feuchten Standorten perfekt angepasst, wobei sie allerdings mit dauerhafter Staunässe auch so ihre Probleme hat. Ist der Boden dann nicht besonders tiefgründig, können durch Windwurf Erlenbruchwälder entstehen. Ein umgeworfener Baum hat aber die Chance, mit der Bildung von Stockausschlägen neue Triebe zu entwickeln, mit denen er dann weiterleben kann.

Das von Bergen umgebene Aachener Tal war zu Römerzeit, aber auch zur Zeit Karls des Großen bis in die Neuzeit hinein, eine in weiten Teilen von Bächen durchflossene Sumpflandschaft. An solchen Standorten hatte die Erle gegenüber der anspruchsvolleren Buche deutliche Verbreitungsvorteile. Somit gehört sie auch heute hier in unseren Naturraum, und wird von öffentlicher Hand an entsprechenden Standorten gerne angepflanzt.

Genutzt wurde das Holz im Mittelalter häufig im Schiffsbau, da es bei Feuchtigkeit eine sehr lange Haltbarkeit aufweist. Auch heute noch wird es zur Herstellung von Küchengeräten verwendet, da hier die Robustheit gegenüber Feuchtigkeit ebenfalls wichtig ist. Darüber hinaus kommt das Holz der Schwarzerle bei der Räucherung von Fleischwaren zum Einsatz.

Aufgrund seiner Festigkeit wird es außerdem bei der Herstellung von Möbeln eingesetzt. Hier stellt es aufgrund seiner optischen Eigenschaften auf Oberflächen einen preiswerten Ersatz von Tropenholz dar.

Im Sommer kann man die Schwarzerle aufgrund einer Besonderheit ihrer Blätter recht einfach erkennen. Sie haben eine rundliche Form und dort, wo Blätter üblicherweise die Blattspitze haben, befindet sich stattdessen häufig eine Einbuchtung. Die Gattung Alnus kommt auf der Nordhalbkugel mit 35 Arten vor. In Mittelamerika reicht sie über den Äquator bis nach Peru. Die Schwarzerle kann man in unbelaubtem Zustand mit der Grauerle (Alnus incana) verwechseln. Diese wird aber ehr auf mageren und trockeneren Böden, wie z.B. Halden angepflanzt, sodass es sich bei den an feuchten Standorten angetroffenen Bäume meist um Alnus glutinosa handelt.

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zuletzt bearbeitet am 13.II.2014