24.April 2014

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Zu Zeiten Ludwigs des XIV. durften Eiben in keinem Schlossgarten fehlen

Karl Josef Strank

Mit den leuchtend roten Beeren, die schon Carl von Linné veranlassten, danach die Namensgebung für die Art als „baccata“, beerentragend, vorzunehmen, fällt die Eibe (Taxus) in den Gärten sofort auf. Die nadelartigen Blätter legen nahe, dass die Eibe ein Nadelbaum ist, was zutrifft. Eigenartig ist allerdings, dass die Frucht kein Zapfen mit vielen Samen ist, sondern ein dunkler Samen, der von einem saftigen, lebhaft roten Samenmantel umgeben ist. Die Samen entwickeln sich nur auf weiblichen, die Staubbeutel aggregieren sich auf den männlichen Pflanzen in kleinen zapfenartigen Knäueln, was wiederum eher dem Bild einer Konifere, eines „Zapfenträgers“, entspricht. Doch damit nicht genug der Merkwürdigkeiten, das Holz der Eibe besitzt keine Harzkanäle wie die übrigen Nadelbäume und die oberseits glänzend dunkelgrünen Nadeln, die Tannennadeln ähneln, können bis zu acht Jahre alt werden. Der bis zu zehn Meter hoch aufwachsende Baum entwickelt sich mehrstämmig, wobei die Einzelstämme später miteinander verwachsen können. Das macht eine Altersbestimmung nicht leicht, dennoch sind Eiben dafür bekannt, dass sie ein sehr hohes Alter erreichen. Der älteste Baum Deutschlands ist möglicherweise die Eibe von Balderschwang mit einem geschätzten Alter von um 1200 Jahren. Die uralte – man schätzte 2000 Jahre – hohlstämmige Eibe, die lange im Hinter-steiner Bärgründle Tal bei Hindelang stand, fiel leider Ende des letzten Jahrtausends einer Lawine zum Opfer.

Die Austriebskraft ist erstaunlich und machte den dicht benadelten Baum im frühen 18. Jahrhundert zum beliebtesten Objekt für den Formschnitt und zum Modebaum des Rokoko. Eiben wurden mit der Heckenschere zu geometrischen Mustern, Beeteinfassungen, Labyrinthen oder dekorativen Figuren getrimmt. Eiben durften zu Zeiten Ludwigs des XIV. und in Nachahmung seines prächtigen Lebensstils in keinem Schlossgarten fehlen. Der Romantik war diese Eibenmanie zuwider und so schrieb Joseph von Eichendorff: „Prinz Rokoko, hast die Gassen / abgezirkelt fein mit Bäumen / Und die Bäume scheren lassen, / Daß sie nicht vom Wald / mehr träumen …“ Die Eibe ist trotzdem ein Baum der Gärten und der Gärtner geblieben, den es heute in einer großen Zahl von Sorten und Formen gibt.

Im Mittelalter war Eibenholz höchst begehrt, was die ausgedehnten Eibenwälder stark dezimierte und fast zu deren vollständiger Vernichtung führte, denn der althochdeutsche Name „iwa“ bedeutet nicht nur Eibe, sondern auch Bogen und Armbrust. Der Name Taxus leitet sich wahrscheinlich vom lat. taxare für strafen her und ist eng an das griech. taxon angelehnt, was wiederum Bogen bedeutet. Die Eibe lieferte das beste Holz für den gefürchteten Langbogen, dem auch Robin Hood seinen legendären Ruf verdankt. Häufig wurden sie daher um Burgen gepflanzt, weil sie ein kriegswichtiger Rohstoff waren. Langbögen aus Eibe von 1,8 bis 2 Metern waren in England die wichtigsten Kriegswaffen und König Edward III. verfügte 1369: „Hiermit befehlen Wir, daß jeder Mann von Leibs Gesundheit in der Stadt London zur Mußezeit und an den Feiertagen Bogen und Pfeil benütze und die Kunst des Schießens erlerne und übe.“ Geschickte und schnelle Bogenschützen waren den plumpen und am Anfang der Entwicklung stehenden Handfeuerwaffen weit überlegen. Die Widerstandsfähigkeit, Härte und gleichzeitige Elastizität des Holzes legten die Verwendung für Wurfspieße, Speere und Pfeile nahe. In Verden wurde ein etwa 150 000 Jahre alter Eibenspeer zwischen den Rippen eines Mammuts geborgen.

Die Nadeln und die Samen enthalten Taxin, ein herzwirksames Alkaloid. Der rote Samenmantel ist giftfrei. Die Vergiftung führt zu Erbrechen, Durchfällen, Schwindelgefühl, Leibschmerzen, Pupillenerweiterung und Bewusstlosigkeit. Die Lippen verfärben sich rot, der Herzschlag beschleunigt sich zuerst und verlangsamt dann immer mehr, der Blutdruck sinkt und der Tod tritt oft schon nach anderthalb Stunden durch Herzstillstand ein. Der Verzehr von Eibennadeln ist tödlich für Pferde, Rinder und Kühe, Schafe, Ziegen, Schweine, Katzen, Hunde, sämtliche Nagetiere und für Vögel, die aber ohne Schaden zu nehmen den Samenmantel verzehren.

Die Eibe ist aber nicht nur giftig, sondern auch heilwirksam anwendbar, denn aus Blättern und Rinde gewinnt man Taxol, einen komplexen Naturstoff, aus dem ein in der Krebstherapie verwendetes, Krebszellen hemmendes und abtötendes Medikament hergestellt wird. Der steigende Bedarf führt heute allerdings erneut weltweit zu einer starken Dezimierung der Eibenwälder.

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zuletzt bearbeitet am 4.VI.2014