13.März 2014

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Über 2,4 Millionen Kilometer: dreimal zum Mond und wieder zurück

Ruth Gestrich-Schmitz

Alle Vögel sind schon da, alle Vögel alle! Welch ein Singen, Musizieren, Pfeifen, Zwitschern, Tirilieren: Frühling will nun einmarschieren, kommt mit Sang und Schalle. Bei den milden frühlingshaften Temperaturen hört man schon überall den fröhlichen Gesang der Vögel und auch die Heimkehrer aus dem Süden gesellen sich allmählich dazu. Einer dieser Vogelschwärme machte kürzlich über dem Aachener Dom mit lauten Rufen auf sich aufmerksam.

Man schätzt, dass sich jedes Jahr weltweit etwa 50 Milliarden Vögel auf den Weg zwischen ihren Winterquartieren und ihren Brutgebieten machen. Dabei legen sie Strecken bis zu einigen tausend Kilometern zurück mit mittleren Geschwindigkeiten von 90 km pro Stunde. Die Küstenseeschwalbe bewältigt jährlich beim Pendeln zwischen ihren antarktischen Winterquartieren und ihren arktischen Brutgebieten bis zu 80 000 Kilometer, was dem doppelten Erdumfang entspricht, wie im Bericht „Vögel in Deutschland 2012“ zu lesen ist: „Bei einer Lebensdauer von etwa 30 Jahren kommen so mehr als 2,4 Millionen Kilometer zusammen – etwa dreimal die Strecke zum Mond und zurück!“

In der Antike gab das Verschwinden der Vögel im Winter noch Rätsel auf. Der griechische Philosoph Aristoteles vermutete, dass Vögel – wie Amphibien – im Schlamm am Grunde eines Gewässers überwintern. Seit den 1960er Jahren wissen wir, dass Zugvögel über einen angeborenen inneren Jahreskalender verfügen. Ist die Zeit zum Vogelzug gekommen, überfällt die Vögel eine innere Unruhe, die umso stärker ist, je weiter der Vogel ziehen muss. Auch die Wegrichtung ist genetisch bedingt. Sie orientieren sich nach dem Stand der Sonne und der Sterne und mittels des Erdmagnetismus mit Rezeptoren in den Augen oder im Oberschnabel.

Wohin und auf welchen Wegen die Vögel ziehen, kann seit 1899 mit der Beringung erforscht werden. Daneben setzt man heute Hightech-Methoden ein: Bei der Satellitentelemetrie werden mittels winziger Sender auf dem Rücken der Vögel Signale empfangen, die eine detaillierte Zugbeobachtung ermöglichen. Lichtgestützte Geolokatoren (circa 1 g leichte „Fahrtenschreiber“) ermöglichen durch Aufzeichnung der Tageslänge und des Datums die Positionsbestimmung des Vogels: Wissenschaftler der Vogelwarte Helgoland zeigten damit, dass der in Alaska brütende Steinschmätzer in Ostafrika überwintert und dabei einen Zugweg von circa 15 000 km quer durch Asien und über die arabische Halbinsel zurücklegt.

Im Zuge der weltweiten Klimaveränderung kann man bei Zugvögeln eine verfrühte Ankunft in ihren Brutgebieten feststellen: Untersuchungen auf Helgoland haben ergeben, dass sich in den letzten 50 Jahren der Frühjahrszug bei Kleinvogelarten um bis zu 19 Tage vorverlagert hat. Die meisten Vogelarten scheinen ihren Zug der Temperatur und damit dem Nahrungsangebot entlang ihrer Zugstrecke anzupassen, d.h. je früher Nahrung zur Verfügung steht, desto früher ziehen sie durch. Als Folge der früheren Ankunft und dem damit längeren Aufenthalt in den Brutgebieten steht mehr Zeit für Bruten zur Verfügung. Tatsächlich gibt es Beobachtungen, dass bei einigen Arten der Jungvogelanteil beim Herbstzug gestiegen ist. Die Ursachen und Folgen des veränderten Frühjahrszuges werden allerdings sehr kontrovers diskutiert. Weitere Beobachtungen sind nötig, um die Auswirkungen der globalen Klimaveränderung auf den Vogelzug beurteilen zu können. Jeder von uns kann seinen Beitrag dazu leisten: Der Naturschutzbund ruft jedes Jahr dazu auf, sich an Vogelzählungen zu beteiligen. Dabei lernt man gleichzeitig die Vögel seiner Heimat kennen.

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zuletzt bearbeitet am 13.IV.2014