28.Nov.2013

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Heilsam und weihnachtlich dekorativ: Lungenflechte und Isländisches Moos

Karl Josef Strank

Wenn Flechten in Massen an Bäumen oder auf Steinen wachsen, provozieren sie die besorgte Frage: Sind die denn nicht schädlich? Nein, Flechten sind nicht schädlich. Wenn vor allem Feuchtigkeit und reine Luft ihnen zusagen, treten sie mitunter in Massen auf und erobern selbst die kargsten und unwirtlichen Lebensräume als kämen sie angeflogen. Denn: Flechten sind keine Pflanzen im herkömmlichen Sinne.

Eine Symbiose

Sie sind das Ergebnis einer „innigen Verflechtung“, eines engen Zusammenlebens, einer Symbiose zum gegenseitigen Nutzen. Ein Algenpartner betreibt Photosynthese, fängt die Energie der Sonne ein und baut aus Wasser und Kohlendioxid Zucker auf. Ein Pilzpartner erschließt Mineralstoffe aus Boden, Wasser, Luft und bietet den Algen zwischen seinen Fäden Schutz. Sporen werden vom Wind über weiteste Strecken verteilt, was erklärt, dass Flechten zu den ersten Lebewesen gehören, die aus dem Meer aufgestiegene Vulkane oder andere neu entstandene und unbelebte Flächen besiedeln.

Als äußerst genügsame Organismen halten Flechten die Ex-treme aus, sind aber dennoch sehr empfindsam gegen Verschmutzungen der Luft und werden deshalb als Indikatoren für die Luftqualität genutzt. Industriegebiete und stark befahrene Verkehrswege sind in der Regel „Flechtenwüsten“.

Wahre Flechtenparadiese hingegen sind Wälder. In ihnen findet sich auf den Stämmen alter Bäume eine auffällige, blattartige Flechte, die mit leuchtend grünen bis olivfarbenen, tiefbuchtigen Lappen wächst, die lungenartig geadert sind. Seit alters her wurde diese Lungenflechte (Lobaria pulmonaria) bis in die heutige Zeit als Heilmittel gegen Lungenkrankheiten und Husten verwendet. Weltweit kommt die Lungenflechte in Afrika, Asien, Europa und Nordamerika vor. Bei uns war sie früher im Tiefland verbreitet, aber sie verträgt sich nicht mit einer intensiven Forstwirtschaft, die keine alten Bäume übrig lässt.

Nie auf Bäumen, sondern am Boden wächst das Isländische Moos, Cetraria islandica. Diese Flechte wächst in Island, im Norden und in den Alpen, ist also ark-tisch-alpin verbreitet. In Heiden, Mooren und Nadelwäldern ist sie häufig anzutreffen. Der blattähnliche, unregelmäßig gelappte Thallus wächst gekrümmt und ist teilweise röhrenartig eingerollt, die Oberseite ist braun bis braungrau und die Unterseite weiß bis weißgrün gefärbt.

Isländisch Moos enthält Flechtensäuren, die sehr bitter schmecken, und langkettige Zucker, die einen Schleim bilden, der sich wie eine Schutzschicht über die Schleimhaut in Mund, Rachen und Magen legt, was bei entsprechender Reizung zur Beruhigung beiträgt und Halsschmerzen, Heiserkeit und trockenen Reizhusten lindert. Andere Inhaltsstoffe wirken antibakteriell und stärken das Immunsystem. Ähnliches gilt für die Lungenflechte, von der Matthiolus außerdem behauptet, dass sie auf Wunden gestreut, diese „zusammenzwinget mit eylender Heylung“.

Auf die heilsamen Wirkungen beider Flechten greifen wir noch heute in dieser husten- und schnupfenträchtigen Jahreszeit oftmals zurück. Ihre Wirksubstanzen sind vor allem in homöopathischen Mitteln verarbeitet.

Und gelegentlich tauchen die ganzen Flechtenkörper – mitunter eingefärbt – als Beiwerk in Trockensträußen oder als weihnachtliche Krippendekoration auf.

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zuletzt bearbeitet am 22.XII.2013