17.Okt.2013

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Nicht zu lange warten: Hochzeit für Märzenbecher und Sommer-Knotenblume

Karl Josef Strank

Erfahrene Gärtner denken jetzt an das nächste Frühjahr und sorgen entsprechend vor. Denn viele der früh blühenden Arten überwintern mit Knollen, Zwiebeln oder anderen Erneuerungs- und Speicherorganen, die jetzt in die Erde gebracht werden müssen. Neben Tulpen und Kugelzwiebeln gehören hierzu Narzissen, Schneeglöckchen, Winterlinge, Krokusse, Kaiserkronen, Lilien, Schachbrettblumen, Herbstzeitlosen und einige weniger bekannte, aber nicht minder interessante Gattungen wie Einbeeren, Anemonen und Wachslilien. Die Kataloge der spezialisierten Lieferanten für Knollen und Zwiebeln sind schon vor Wochen versandt worden. Im Gartenhandel liegen die Frühjahrsblumen als Saisonware aus und manche der selteneren sind gar nicht mehr zu haben.

Zu diesen Gewächsen, die den Frühling ankündigen, gehört die Frühlings-Knotenblume, Leucojum vernum, die auch Märzenbecher oder Großes Schneeglöckchen genannt wird. Sie wird in die Familie der Amaryllisgewächse eingruppiert und zur Gattung gehört noch eine zweite bei uns vorkommende Art: die Sommer-Knotenblume, Leucojum aestivum. Der Name kommt vom griechischen leukos für weiß und ion für Veilchen, denn die Blüten haben einen veilchenartigen Duft. Die Gattung umfasst zehn Arten, die in Südeuropa, auf einigen Mittelmeerinseln, in Nordwest-Afrika bis hin zur Türkei und den Kaukasus verbreitet sind.

Ausdauernd

Märzenbecher sind ausdauernde 10 bis 30 cm hohe Pflanzen, die mit Zwiebeln die kalte Jahreszeit überdauern. Die etwa 2 cm breiten Zwiebeln liegen mit 30 cm relativ tief im Erdreich. Diese sind bei allen Arten sehr empfindlich gegen Austrocknung, so dass unbedingt darauf zu achten ist, sie relativ unverzüglich und schnell nach der Ernte oder dem Kauf wieder in die Erde zu bekommen. Es ist mehr als ärgerlich, wenn die ansehnlichen Pflanzen im nächsten Frühjahr an Stellen im Garten, wo sie gelegt wurden, nicht erscheinen, weil die Zwiebeln durch lange Lagerung getrocknet und abgestorben sind.

Ist das nicht geschehen, so treiben aus den Zwiebeln im zeitigen Frühjahr drei bis fünf breit-linealische, dunkelgrüne Blätter, die etwa 20 cm lang und 1 cm breit eng beieinander aus dem Boden sprießen. Aus deren Mitte schiebt dann ein blattloser Stängel, der an seiner Spitze eine häutige Blattscheide trägt, aus der meist nur eine, selten zwei überhängend nickende Blüten ragen. Sie sind glockenförmig weiß gefärbt und, wie es für Lilienartige typisch ist, dreizählig gebaut. Die sechs Blütenblätter sind gleich lang und tragen um die knorpelig verdickten Blattspitzen gelbgrüne Färbungen, die wie kleine Bumerange aussehen. Innen folgen sechs freie Staubblätter mit orangen Staubbeuteln und im Zentrum ein keulenförmiger Griffel. Der rundliche unterständige Fruchtknoten hat den Namen Knotenblume veranlasst.

Die Blüten sondern nur wenig Nektar ab, aber die gelbgrünen Saftmale um die knorpeligen Blütenblattspitzen duften intensiv veilchenartig, was Bienen und Tagfalter anlockt, die für die Bestäubung sorgen. Nach der Blüte im März senken sich die bestäubten fleischigen Samenkapseln zu Boden. Werden diese von Tieren gefressen, verbreiten sich die Samen durch deren Kot.

In Nasswiesen und Sumpf

Die sehr ähnliche Sommer-Knotenblume trägt anstelle einer (bis zwei) Blüten eine Dolde mit fünf bis sieben Blüten und blüht von April bis Juni. Als Standort bevorzugt die Frühlings-Knotenblume humose, feuchte, nährstoffreiche, mäßig saure Ton- und Lehmböden in Schlucht- und Auenwäldern. Man findet sie auch in nährstoffreichen Nasswiesen zusammen mit der Sumpfdotterblume. Die Sommer-Knotenblume ist eine ausgesprochene Sumpfpflanze und wächst in größeren Beständen in Überschwemmungswiesen. Weil sie nur noch selten vorkommen, stehen beide unter strengem Artenschutz.

Alle Teile der Pflanzen sind giftig und enthalten das Alkaloid Lycorin, das herzwirksam ist und Herzrhythmusstörungen verursacht. Vergiftungserscheinungen sind Erbrechen, Durchfall und Krämpfe. Die Pflanzen sind auch für Tiere giftig, was aber wegen ihrer Seltenheit in der Regel nicht zu Problemen führt. Obwohl sie in den Kräuterbüchern immer beschrieben wurden, finden sie trotz wirksamer Substanzen heilkundlich keine Verwendung. Märzenbecher sind seit dem Mittelalter als Schmuckpflanzen in Botanischen, Adels- und Liebhabergärten gezogen worden. So schrieb 1773 Gleditsch in Berlin über die Sommer-Knotenblume: „Ist eine späte Art mit einem ein bis zwei Fuß hohen vielblütigen Stengel, der im May und noch später den Luststücken ein gutes Aussehen gibt.“

voriger Artikel ← | → nächster Artikel

Auswahl nach Erscheinungsdatum

Auswahl nach Themenstichwort

Startseite

zuletzt bearbeitet am 22.XII.2013