10.Jan.2013

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Eingeschleppt: Wie Körbchenmuscheln und Co. in den Rhein gelangen

Joachim Schmitz

Vor einigen Wochen war an dieser Stelle die Rede von eingeschleppten Pflanzen am Rhein. Mindestens so große Umwälzungen hat es durch eingeschleppte Tiere, sogenannte Neozoën, gegeben. Wassertiere im Rhein bekommt ein Laie kaum einmal zu sehen. Was man aber leicht finden kann, sind angeschwemmte Hartteile am Ufer, vor allem Muschelschalen.

Schon Mitte des 19. Jahrhunderts tauchten die ersten Wandermuscheln (Dreissena polymorpha) in Mitteleuropa auf. Die auch Zebramuschel oder Dreiecksmuschel genannte Art ist leicht an der charakteristischen länglichen Schale mit auffälligem Knick zu erkennen, wodurch der dreieckige Querschnitt zustande kommt. Ähnlich wie die Miesmuschel können sich die Tiere mit sogenannten Byssusfäden an der Unterlage festheften und sind so als blinder Passagier an Schiffen eingewandert. Ihre Heimat ist das Schwarze und das Kaspische Meer. Übrigens weiß man aus fossilen Belegen, dass die Art vor der Eiszeit auch in Mitteleuropa vorkam, dann durch die Kälte auf das Rückzugsgebiet im Kaspischen Raum zurückgedrängt wurde und nun sozusagen wiedergekommen ist.

Etwa ab den 1990er-Jahren erschienen dann zwei sehr ähnliche Körbchenmuschelarten. Die Grobgestreifte Körbchenmuschel (Corbicula fluminea) erinnert etwas an die marine Herz- beziehungsweise Jakobsmuschel (nur viel kleiner). Sie hat sich sehr schnell massenhaft ausgebreitet. Heute sind ihre angeschwemmten Schalen am Rheinufer stellenweise so häufig, dass man kaum noch den Boden sehen kann (siehe Foto). Sie ist vermutlich mit Ballastwasser aus Asien eingeschleppt worden. Frachtschiffe verfügen über Tanks, die bei Leerfahrten mit Wasser gefüllt werden, damit das Schiff optimal im Wasser liegt. Ist das Schiff voll beladen, werden die Ballasttanks wieder leergepumpt. So können auch im Wasser zufällig angesaugte Organismen weit verschleppt werden.

Die Feingestreifte Körbchenmuschel (Corbicula fluminalis) hat sich inzwischen genauso weit ausgebreitet wie ihre Schwesternart, ist aber bei Weitem nicht so zahlreich zu finden. Die Rippen auf der Schale stehen enger zusammen, die Schale ist von oben eher dreieckig als herzförmig und innen ist die Schale oft violett angehaucht. Außerdem ist die Schale außen eher ockerfarben, während die Grobgestreifte Körbchenmuschel außen dunkelbraun ist. Bei angeschwemmten Exemplaren ist das Merkmal allerdings mit Vorsicht zu genießen, weil die Schalen von anderen Schalen und Flusskieseln schon ziemlich abgerieben sein können und die Farbschicht dadurch dünner geworden oder ganz weg ist. Ähnlich wie die Wandermuschel ist die Art fossil für die Warmzeiten zwischen den ältesten Eisvorstößen in Europa belegt. Die aktuellen Einschleppungen stammen vermutlich aus Asien. Mit etwas Glück findet man am Rhein auch Häutungshüllen der Chinesischen Wollhandkrabbe (Eriocheir sinensis).

Auch diese Art dürfte mit Ballastwasser aus Asien eingeschleppt worden sein. Die ältesten Fundmeldungen in Deutschland gehen bis auf 1926 zurück. Vor wenigen Jahrzehnten hat sich die Art im Rhein plötzlich massenhaft vermehrt. Lebende Exemplare sind kaum zu sichten, weil die Tiere ganz am Rheingrund im Bereich der größten Strömung leben. Aber als heranwachsende Tiere müssen sie sich gelegentlich von ihren zu eng gewordenen Panzern trennen und die werden dann mit der Strömung verschleppt. Massive Teile wie Scheren findet man schon mal; ganz erhaltene Häutungshüllen sind allerdings selten.

In der Zeit, in der es sonst für Naturfreunde nicht viel zu finden gibt, bietet sich ein Ausflug an den Rhein an, wenn der nicht gerade wieder Hochwasser hat. Wo der Rhein noch halbwegs natürlich verläuft, sind Anschwemmungen von Schalen vor allem an Glatthängen zu erwarten, das sind die Innenbögen von Flusskurven, wo die Fließgeschwindigkeit relativ langsam ist und mitgeschwemmtes Material abgesetzt wird. Am Niederrhein sind oft quer in den Fluss Steinpackungen eingebaut („Buhnen“), in deren Winkeln ebenfalls Sediment abgelagert wird.


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zuletzt bearbeitet am 26.I.2013