25.Okt.2012

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Der „Gute Heinrich“ und andere Namen, die die Welt bunter machen

Mechthild Feese

Wenn Sie verschiedene Pflanzen vor sich haben und ihnen vorgegebene Namen zuordnen sollen, so dürfte Ihnen das wunderbar bei der Sonnenblume, bei der Glockenblume, bei dem Tränenden Herz und auch beim Stiefmütterchen gelingen; denn das Gesamtbild entscheidet über den Namen der Pflanzen.

Bei anderen Gewächsen fällt uns die Farbe der Blüten ins Auge und bestimmt ihren Namen wie beim Blaukissen, Rotdorn oder Goldlack. Manchmal spielt auch die symbolische Bedeutung der Farben eine Rolle. Blau steht für Treue. Eine Veronika heißt im Volksmund „Männertreu“. Sie hat blaue Blüten, die sehr leicht abfallen. Das Vergissmeinnicht blüht auch blau, was wiederum die Treue verkörpert.

Über unseren Tastsinn können wir erfahren, woher Stechpalme, Brennnessel, Klebkraut und Kratzdistel ihre Namen haben. Unser Geschmackssinn hat sicher die Namen von Sauerampfer, Süßkirsche, Bittermandel und Süßholz mit geprägt, wie der Geruchssinn die von Stinkmorchel, Duftsteinrich, Stinkendem Storchschnabel und Wohlriechendem Veilchen. Hört man Heidekraut, Rainfarn, Ackerschachtelhalm, Wiesenraute, Waldvögelein, Strandhafer oder gar Bergwohlverleih, braucht man die Pflanzen nicht zu kennen. Man weiß aber genau, wo sie wachsen. Genauso verhält es sich mit Osterglocken, Pfingstrosen, Herbstastern, Weihnachtssternen, Maiglöckchen, und sogar mit dem Frühlingshungerblümchen. Wir kennen sie nicht immer, wissen aber wohl, wann sie blühen.

Nach Funktionen benannt

Pflanzen wurden auch nach den Funktionen benannt, in denen sie dem Menschen dienlich waren. Da gibt es Besenginster und Besenheide und Lampenputzergras oder Seifenkraut oder Fieberkraut und Augentrost und Satanspilz, Teufelskralle und Hexenkraut für magische Handlungen.

Dann gibt es Pflanzennamen, die einen Aufforderungssatz bilden. Neben dem schon erwähnten Vergissmeinnicht wäre da das Springkraut Rührmichnichtan (lateinisch noli tangere), das an Waldrändern wächst. Wenn man deren reife Samenkapseln berührt, platzen diese auf und schleudern die Samen weit davon. Das drüsentragende Springkraut, das sehr hübsche gespornte rot-rosa Blüten hat, erobert Deutschland in den letzten Jahrzehnten mit so großem Erfolg, dass das Umweltamt der Stadt Aachen die hiesige Bevölkerung dazu aufrief, sich an der Vernichtung des Springkrauts zu beteiligen.

Einige Pflanzen wurden wegen ihrer Besonderheiten der Jungfrau Maria, Christus oder anderen Heiligen zugeschrieben. So heißt das wohlriechende Labkraut auch „Unserer lieben Frauen Bettstroh“, die Zaunwinde wegen ihrer rosa-weißen kelchförmigen nach oben gerichteten Blüten „Mutter Gottes Gläschen“ und eine andere Pflanze „Frauenmantel“, weil er große rundlich gewellte „ausgebreitete“ Blätter hat, an deren Rändern Wassertröpfchen austreten, die wie ein Perlenkränzchen aussehen. Einige andere Pflanzen werden Christusdorn genannt, wahrscheinlich weil sie an die Dornenkrone von Christus erinnern.

Das Gemüse armer Leute

Manche Gewächse sind auf recht merkwürdige Weise zu ihrem Namen gekommen. Als Beispiel dient der „Gute Heinrich“. Ihn fand man früher überall am Wegesrand. Er wurde bis zu 1,50 Meter hoch und diente den armen Leuten als Gemüse, das sie wie Mangold kochten.

Der „Gute Heinrich“ gehört zur Familie der Gänsefußgewächse, so benannt nach der Form ihrer Blätter, die einem umgekehrten Gänsefuß gleichen, und der „Gute Heinrich“ hat natürlich auch solche Blätter. Für die damaligen Menschen war die Welt mit vielen guten und bösen Geistern bevölkert, die für die Missgeschicke und die guten Ereignisse verantwortlich gemacht wurden. Diese Kobolde hießen gern Heinz oder Heinrich (man denke an die Heinzelmännchen von Köln) und hatten keine richtigen Füße, sondern Gänsefüße. Und darüber entstand die Verbindung zu der Pflanze, die auch Gänsefüße hatte. Ihre besonderen Eigenheiten erschienen im Vornamen hier gut, der lateinische Name lautet genau wie im Deutschen „Bonus Henricus“. Neben dem „Guten Heinrich“ gibt es noch den „Bösen Heinrich“ (wahrscheinlich das giftige Bingelkraut), den „Stolzen Heinrich“ (Natternkopf oder Blutweiderich) und den „Roten Heinrich“ (einige Sauerampfer-Arten, die rötliche Blätter und Stängel haben).

Es gibt unzählige Pflanzen. Sie alle haben einen verbindlichen lateinischen Namen, über den sie für jeden identifizierbar sind. Sie haben aber auch unendlich viele volkstümliche Namen, die uns von ihren Eigenheiten und Besonderheiten erzählen und die Welt bunt machen.


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zuletzt bearbeitet am 30.XI.2012