26.Jan.2012

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Lästig, aber nützlich: der Maulwurf. Ein Plädoyer für den kleinen Wühler.

Karl Josef Strank

Fragt man Kinder nach dem Maulwurf, so finden sie dieses in der Erde grabende und selten über Tage zu sehende Tier durchweg äußerst sympathisch. Dazu hat sicher nicht unwesentlich der kürzlich gestorbene Zeichner Zdenek Miler beigetragen, der die beliebte Zeichentrickfigur des kleinen Maulwurfs mitsamt seinen lustigen Geschichten erfunden hat.
So beliebt der Maulwurf bei Kindern, so verhasst ist er bei Gärtnern, wenn er regelmäßig im Herbst und Frühjahr auf akkurat gepflegten, grünen Rasen seine Haufen wirft. Ich selbst habe auf einer Ferienfreizeit in den Schweizer Bergen erlebt, wie ein älterer Mann auf einer Almwiese mit der Schrotflinte im Anschlag ruhig Stunde um Stunde verharrte. Manchmal war ein Schuss zu hören. Wir fragten uns, was er jagte und kamen nach einigem Nachdenken darauf: Maulwürfe. Es machte den Eindruck, als schösse er mit Kanonen auf Spatzen. Ein über Gebühr waidgerechter Tod für den kleinen Erdbewohner, denn Schrot ist angemessen für Hasen, Kaninchen, Fasanen, Tauben. Dem Reh und noch edlerem Wild gebührt im Verständnis des Waidmannes die Kugel.

Molte und Mull
Nun gut, Maulwürfe in Almwiesen fördern die Erosion und soll nicht die schöne Grasnabe im Tal landen, sind solche „vorbeugenden“, für den Maulwurf allerdings „finalen“, Maßnahmen vielleicht noch verständlich. Aber ist das auch für Gärten gerechtfertigt?
Der Maulwurf ist bestens an ein Leben in der Erde angepasst. Der etwa handlange Körper ist walzenförmig und vorne zugespitzt, was ihn für eine wühlende Tätigkeit hervorragend befähigt. Sein Kopf geht ohne Hals in den drehrunden Rumpf über. Die hinteren Beine sind kurz mit spitzen Krallen besetzt. Am Ende sitzt ein kleiner pinselartiger Schwanz. Die vorderen Beine bestehen fast nur aus den Händen, die zu kräftigen Grabschaufeln umgebildet sind und unmittelbar hinter dem Kopf rechts und links zur Seite mit kleinen Armstummeln ansetzen. Die Finger sind durch Häute fest miteinander verwachsen und tragen große scharfe Krallen.
Da unter der Erde Dunkelheit herrscht sind die Augen klein, im Pelz versteckt und das Sehvermögen des Maulwurfs ist sehr eingeschränkt. Umso schärfer sind aber der Hör- und der Geruchssinn ausgebildet. Ohrmuscheln finden sich keine, die Gehörgänge liegen im Pelz verborgen und können verschlossen werden. Der Kopf ist rüsselartig spitz verlängert. An der Spitze des Rüssels sitzt die Nase mit nach unten geöffneten Nasenlöchern, die sich verschließen lassen. Die Nase ist sehr empfindlich, der Tastsinn sehr gut ausgebildet. Das Maul ist mit kleinen spitzen Zähnen besetzt – ein Biss des Maulwurfs ist durchaus spürbar – und kann durch eine Hautfalte fest verschlossen werden, was die wühlende Tätigkeit sehr begünstigt. Wegen des markanten Mauls könnte man auf die Idee kommen, dass der Maulwurf daher auch seinen Namen hat. Das „Maul“ geht aber zurück auf „Molte“ oder „Mull“, was im Altdeutschen so viel wie Erde meint.

Insektenfresser
Eine weitere erstaunliche Anpassung betrifft sein Fell. Wer schon einmal eines mit den Händen berührt hat, bemerkte sicher, dass es sehr weich und samtig ist. Es hat keinen Strich wie bei anderen Tieren und ermöglicht es dem Maulwurf, sich in seinen engen Gängen ebenso gut vorwärts wie rückwärts zu bewegen. Wegen dieses samtigen Pelzes wurde er früher gejagt, denn man stattete damit Krägen und Innenfutter von Mänteln, Handschuhen und Handwärmer aus oder überzog damit Zylinder und andere Hüte. Man kann sich leicht vorstellen wie viele Maulwürfe für ein solches Kleidungsstück ihr Leben lassen mussten. Das Maul mit seinen spitzen Zähnen kennzeichnet ihn als Insektenfresser ähnlich wie die Spitzmaus. Er ernährt sich überwiegend von Regenwürmern. Alle Kleintiere, die er antrifft, insbesondere Insekten und deren Larven, vertilgt er. Nachts kommt er mitunter an die Oberfläche, um Schnecken und andere Kleintiere zu erbeuten. Das Wühlen kostet viel Kraft, daher frisst der Maulwurf das bis zu Dreifache seines Körpergewichts. Entsprechend groß ist sein Revier und, wenn ein Rivale eindringt, beginnt ein Kampf auf Leben und Tod. Der Sieger frisst den Besiegten.
Der Maulwurf hält keinen Winterschlaf und folgt den Regenwürmern in der kalten Jahreszeit in die tieferen Schichten des Bodens. Er steht unter Artenschutz. Da er mindestens so nützlich wie lästig ist, sollte er in den Gärten geduldet werden.

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zuletzt bearbeitet am 26.I.2012