15.Dez.2011

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Der Schorittenbaum oder: die immergrünen Symbole der Hoffnung

Angela Ertz

In jedem Weihnachtsbaum, der zurzeit in der Stadt dekorativ aufgestellt wird, erobert sich das herbstgraue Aachen, Heinsberg, Düren und die anderen Orte in unserer Region ein bisschen Grün zurück, allerdings nur vorübergehend. Die Farbe Grün ist seit jeher das Symbol für Leben und Hoffnung und damit Grundlage vieler Weihnachts- und Winterbräuche vom Barbarazweig bis zum Christbaum.

Im lichten Unterholz
Besonders symbolkräftig sind in dem Zusammenhang die immergrünen Gewächse als Zeichen für Unsterblichkeit und ewiges Leben. Dass nicht nur Nadelbäume den Winterwald immergrün machen, kann man leicht feststellen, wenn man sich etwas aus der Innenstadt heraus bewegt.
Besonders auffällig, dank ihrer roten Beeren, sind die großen Ilexsträucher, die man etwa zahlreich auf dem Lousberg, und rund um das Dreiländereck findet.
Der Ilexstrauch, der je nach Platz und Licht bis zu zehn Meter hoch werden kann, wächst gerne im lichten Unterholz von Laubwäldern. Dort findet der Strauch, der atlantisches Klima mit milden feuchten Wintern braucht, vor allem Schutz gegen Frost. Wegen dieser Frostempfindlichkeit verläuft die Grenze seiner Verbreitung längs von Norden nach Süden durch Deutschland. Geobotaniker untersuchen gerade, ob sich diese Grenze mit der Klimaveränderung bereits jetzt merklich nach Osten verschiebt.
Im Gegenzug vermuten sie, dass die ursprüngliche Verbreitung des Ilex im Mittelmeerraum wegen der zunehmenden Sommertrockenheit sehr wahrscheinlich zurückgehen wird.

Weise Voraussicht
Den deutschen Namen ‚Stechpalme‘ führt der Ilex wegen seiner ledrigen, am welligen Rand stachelig gezähnten Blätter. Bei größeren Sträuchern kann man übrigens beobachten, dass in den oberen Bereichen die Blätter nicht mehr stachelig sind.
Dieser Umstand ließ die Stechpalme zum Symbol der weisen Voraussicht werden, da sie ja nur bis zur Höhe des möglichen Viehverbisses Stacheln ausbildete. Ob diese Erklärung im Einklang mit modernen Evolutionstheorien steht, ist eine andere Frage. In Walheim findet man die Stechpalme jedenfalls noch als Bestandteil ursprünglicher Einfriedungshecken von Weiden. Ansonsten war die auch als ‚Hülse‘ (Wortverwandtschaft mit dem engl. ‚Holly‘) bezeichnete Stechpalme wegen ihrer starken Wurzelsprossbildung bei Forstleuten als ‚Waldunkraut‘ verschrien, weil sie Neuanpflanzungen durchwucherte. Der dazu passende Spruch “Ilse bilse, keiner will se, die böse Hülse“, stammt aus dem Bergischen Land. Andererseits steht die Stechpalme seit 1935 unter Naturschutz, da sie wegen der Nutzung der Zweige zu Palmsonntag und in der Weihnachtszeit in einigen Gegenden schon fast verschwunden war.
Viele dieser Bräuche gehen auf römische oder germanische Riten zurück. So verteilten keltischen Druiden in der Mittwinternacht grüne Stechpalmenzweige mit roten Beeren, die das Lebensblut symbolisierten.
Diese bildeten damit den Gegenpart zu den weißen Beeren der Mistel als Symbol des Todes. Besonders in angelsächsischen Ländern leben die Bräuche der ‚Holly‘ genannten Stechpalme in der Weihnachtszeit bis heute fort.
In den USA existieren regelrechte Stechpalmenplantagen, die mit Netzen gegen beerenfressende Vögel geschützt werden. Es wird sogar namentlich unterschieden in ‚He-Holly‘ und ‚She-Holly‘. Das bezieht sich aber offenbar weniger auf die Tatsache, dass männliche und weibliche Pflanzen existieren, sondern wird den stacheligen (‚He‘) bzw. glatten Blättern (‚She‘) zugeordnet. Stechpalmen werden in einigen Gegenden traditionell statt Palmzweigen an Palmsonntag geweiht und auch an Aschermittwoch verbrannt.
Die Blätter des verwandten südamerikanischen Ilex paraguariensis, die unter anderem Coffein enthalten, bilden übrigens die Grundlage des Mate-Tees. Blätter und Beeren unseres einheimischen Ilex sind dagegen giftig.

Büschel an Eisenkugeln
Weiger mythisch als praktisch bediente man sich rund um Aachen noch im letzten Jahrhundert der Stechpalme: Die Schornsteinfeger banden sich Büschel an ihre Eisenkugeln, um die Kamine sauber zu scheuern. So erhielt die Stechpalme als ‚Schorittenbaum‘ oder ‚Schoritteblaar‘ (von Schoritt = Kaminfeger).neben den vielen anderen Namen in unserer Region noch eine weitere, sehr lokale Bezeichnung.

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zuletzt bearbeitet am 17.XII.2011