7.Juli 2011

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Der Steinkauz: Ein kleiner Kobold steht Pate für seltsame Menschen

Karl Josef Strank

Der Steinkauz ist unter den kleinen Eulenarten, die bei uns heimisch sind, der bekannteste. Unter einem Kauz versteht man für gewöhnlich aber auch einen sonderbaren und wunderlichen Menschen. Dabei galt der Steinkauz den alten Griechen als Vogel der Weisheit und Sinnbild der Göttin Athene, der Lieblingstochter des Zeus, die mit dem Attribut „eulenäugig“ bedacht wurde. Da in Athen die geballte Weisheit vieler Generationen von Philosophen versammelt war, machte es keinen Sinn „Eulen nach Athen zu tragen“. Inzwischen ziert die Eule den Euro und der Spruch bekommt eine neue, aktuelle Bedeutung.

Athene noctua

Athene noctua so lautet der wissenschaftliche Name für den Steinkauz. Er macht schon einen aufgeweckten Eindruck, wenn er mit seinen schwefelgelben Augen aus seiner Schlafhöhle aufmerksam dreinschaut. Als ausgesprochen drollig ist sein Verhalten zu bezeichnen, wenn er seine Erregung durch lebhaftes Rufen oder sein sehr charakteristisches „Knixen“ ausdrückt, bei dem er sich hoch aufrichtet und dann plötzlich in fast waagerechter Körperhaltung duckt, um im nächsten Moment wieder emporzuschnellen. Die Menschen müssen diesen lustigen Kobold in früheren Zeiten sehr genau beobachtet haben, denn dieses plötzliche Wegducken bezeichneten sie als kauzen oder sich kauern. Wenn ein Mensch diese Bewegungen oder andere Eigenarten vollführte, ließ das ihn als schrägen Vogel erscheinen, eben als seltsamen Kauz. Kauzen steht auch für die Lautäußerungen dieses Vogels, der sich vor allem in der Dämmerung als sehr aktiv erweist. Die Männchen lassen sich vor allem im Spätwinter und Frühling mit einen in Intervallen wiederholten nasal, etwas fragend klingenden „uuhg“ hören, was dann häufig in ein miauendes „kwau“ übergeht. In Erregung rufen dann beide Geschlechter „kwiau“ oder gellend „kwitt-kwitt“. Da der Steinkauz ein nachtaktiver Vogel ist und dieser Ruf sich mit einiger Phantasie auch als „komm mit“ deuten lässt, wurde er im Volksmund zum Toten- oder Leichenvogel. Die Toteneule fordert so die kranken Menschen auf, ihr auf den Friedhof zu folgen.

Der Steinkauz bevorzugt als Lebensraum hautsächlich offenes Gelände mit einzelnen Bäumen und Baumgruppen, parkartige Landschaften oder auch Ortschaften. Der „Stein“ in seinem Namen drückt aus, dass er kein Waldbewohner ist wie der Waldkauz. Als Brutplätze benötigt er Baumhöhlen in alten Obstbäumen oder Kopfweiden, aber auch Löcher und Nischen in Felswänden, Steinbrüchen und Gemäuern nimmt er an.

Steinkäuze sind Standvögel und leben meist in Dauerehe. Die Jungvögel sind im nächsten Frühjahr bereits geschlechtsreif. Die Fortpflanzungszeit beginnt im März. Zur Brutzeit verhalten sich Steinkäuze territorial, d.h. die Männchen verteidigen ihr Revier mit ihren andauernden Rufen, zeigen den Weibchen die Bruthöhle, übergeben ihnen Beute und werden mit dem Fortpflanzungserfolg belohnt. Die Weibchen legen in zweitägigem Abstand drei bis sechs Eier, die etwa drei bis vier Wochen bebrütet werden. Die Jungen haben ein weißes Dunenkleid, das bald durch ein dunkleres Jugendkleid abgelöst wird, das dann schon fast dem wieder helleren Alterskleid ähnelt. Das Männchen schafft die Nahrung herbei, das Weibchen füttert die anfangs blinden Jungen, die wie Singvögel ihre Schnabelmäuler auf“sperren“. Die jungen verlassen im Alter von 30 bis 35 Tagen die Höhle, kehren aber tagsüber zum Ausruhen noch zurück, bis sie nach zwei bis drei Monaten in alle Richtungen vom elterlichen Revier abwandern, wobei sie Distanzen von bis zu 20 Kilometern zurücklegen, selten wandern sie über weitere Strecken.

Aus der Luft gegriffen

Die Nahrung des Steinkauzes besteht im Sommer überwiegend aus größeren Insekten wie Käfer und Heuschrecken. Diese jagt und erbeutet er, indem er staksend über den Boden läuft, wobei er ebenso Raupen und Regenwürmer erwischt. Meist jagt er aber von einer erhöhten Warte aus. So erbeutet er in der Hauptsache Mäuse, Spitzmäuse, kleinere Säugetiere und Kleinvögel bis zu Drosselgröße. Eidechsen und Frösche, wenn er sie kriegt, verschmäht er auch nicht.

In früheren Zeiten spielte der Mensch dem Steinkauz mitunter übel mit, denn Vogelfänger benutzten ihn als Lockvogel bei der Vogeljagd mit Leimrute oder Gewehr. Dazu banden sie ihn an einen Pflock und andere Vögel stießen auf ihn herab – sie „hassten“ und hackten ihn so sehr, dass er oft arg zerzaust, wenn nicht gar tot, zurückblieb. Diese Zeiten sind für den Steinkauz glücklicherweise vorbei.

Trotz aller Artenschutzmaßnahmen wird der Steinkauz in Nordrhein-Westfalen nach der aktuellen Roten Liste aber dennoch als gefährdet eingestuft. Dabei haben wir in unserem Land noch das größte Vorkommen des Steinkauzes. Mit 5450 Brutpaaren beherbergen wir 65% des bundesweiten Bestandes. Dieser hat aber seit 2003 um sieben Prozent abgenommen. Experten sehen den Grund für die Gefährdung des Steinkauzes in erster Linie im Verlust der Brut- und Nahrungshabitate, das sind Streuobstwiesen und offenes Grünland, das wegen einer Reduzierung der Beweidung zurückgeht. Die Aufgabe landwirtschaftlicher Höfe, die Umnutzung von Weiden und der Neubau von Umgehungsstraßen sowie von Wohn- und Gewerbegebieten reduzieren die Streuobstbestände immer weiter. Ein eigenes Schutzprogramm für Steinkauz und Obstwiesen wären daher dringend von Nöten.

Als Ausgleich für den Campus-Melaten sind im Rabental neue Obstwiesen angelegt worden. Wir hegen die Hoffnung, dass sich der Steinkauz bei weiterhin guter Entwicklung der Obstwiesen an Gut Melaten dort dauerhaft wieder ansiedelt.


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zuletzt bearbeitet am 7.VIII.2011