12.Mai 2011

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Waldmeister – Das Maikraut nicht nur fürs Herz. Eine leichte Bowle.

Ruth Gestrich-Schmitz

Wer kennt nicht den grünen Wackelpudding, den besonders Kinder so lieben. Waldmeister - damit verbindet man auch prickelnde Ahoj-Brause, Berliner Weiße mit Waldmeistersirup und natürlich in diesem Monat die Maibowle. Schon die Benediktinermönche aus der Abtei in Prüm in der Eifel erfrischten sich mit diesem Getränk: Der Klosterbruder Wandalbert schrieb 854 in einem Gedicht: „Schütte perlenden Wein auf das Waldmeisterlein“.

Idealer Bodendecker
Waldmeister (Galium odoratum), eine ausdauernde, bis 20 cm hohe Pflanze aus der Familie der Rötegewächse (Rubiaceae), findet man auf nährstoffreichen Waldböden, vorwiegend unter Buchen.

Aus einem dünnen, kriechenden Wurzelstock treiben aufsteigende vierkantige Stängel, an denen die lanzettlichen Blätter zu sechs bis neun stockwerkartig in Quirlen angeordnet sind.

Da sich der Waldmeister über den Wurzelstock schnell ausbreitet, ist er im Garten, unter Laubgehölzen, ein idealer Bodendecker. Im Mai erscheinen an den Stängelspitzen in Trugdolden angeordnete kleine weiße sternförmige Blüten mit je vier trichterförmig verwachsenen Blütenblättern.

Die kugeligen, grünen Früchte sind dicht mit hakigen Borsten besetzt. Ähnliche Früchte, die wie Kletten an der Kleidung oder am Fell von Tieren haften, - daher bei Kindern sehr beliebt - findet man beim verwandten Klebkraut (Galium aparine), das mit Hilfe von rückwärts gerichteten Stacheln am Rand der Blätter an anderen Pflanzen hochklimmen kann.

Der Waldmeister ist im Volksmund unter vielen Namen bekannt, die etwas über seine Eigenschaften bzw. seine Anwendung aussagen: Duftlabkraut, Gliederkraut, Halskräutlein, Herzfreude, Herzfreund, Leberkraut, Maikraut, Sternleberkraut, Tabakskraut, Waldmännchen.

In der Heilkunde schätzt man die durchblutungsfördernde, entkrampfende und beruhigende Wirkung des Krautes. Waldmeister enthält neben Asperulosid, Bitterstoffen und Gerbstoffen ein Cumaringlykosid, aus dem beim Welkevorgang das für den charakteristischen Geruch verantwortliche Cumarin entsteht. Als Heilmittel wird das ganze getrocknete Kraut verwendet, vor allem in Teemischungen, bei Lebererkrankungen, Darmstörungen, Unruhezuständen, Schlafstörungen, Migräne, Venenerkrankungen und Herzbeschwerden. Tabernaemontanus empfahl im 16. Jahrhundert Waldmeister in Wein zur Stärkung von Leber und Herz.

Gegen Motten
In chemisch abgewandelter Form wird Cumarin als Mittel zur Verminderung der Blutgerinnung bei Thrombosegefahr und nach einem Herzinfarkt eingesetzt.

Der Waldmeister gehört zu den sogenannten „Bettstrohkräutern“: Er wurde früher Wöchnerinnen und ihren Säuglingen unter die Strohmatratze gelegt, um mit seinen beruhigenden und entkrampfenden Eigenschaften deren Wohlbefinden zu fördern. In Kräuterkissen oder als Sträußchen im Kleiderschrank hilft der Duft des Waldmeisters, Motten fernzuhalten.

In den alteuropäischen Kulturen galt der Wonnemonat Mai als eine besonders günstige Zeit für die Empfängnis. Die Jugend sammelte duftende Kräuter, die der Göttin Freya geweiht waren, darunter auch Waldmeister, und bereitete damit ein Liebeslager auf blühenden Wiesen oder moosbewachsenen Waldlichtungen.

„Reine de bois“
Beim Maifest wurden duftende Kräuterbäder bereitet, in denen Frauen und Männer gemeinsam badeten. Süße, mit Waldmeister gewürzte Weine sollten Verklemmungen lockern und die Lust anregen. Wolf-Dieter Storl (Kulturanthrophologe und Ethnobotaniker) schreibt in dem Buch "Hexenmedizin": Bei der heutigen Maibowle gehen wir ganz dezent und bürgerlich vor. Einige Zweiglein des angewelkten Maikrauts werden für kurze Zeit in den Wein gelegt, es kommt etwas Zucker und Zitrone dazu und zuletzt Schaumwein. Man befürchtet, zu viel Waldmeister könnte einen heftigen Kater zur Folge haben. Wenn man jedoch diese Befürchtung beiseite lässt und mehrere Handvoll des angewelkten Waldkräutleins in den Wein tut, dann wird man wissen, warum es Waldmeister, Waldmutterkraut oder auf französisch "reine de bois" (Waldkönigin) heißt. Nicht nur regt es die Liebeslust an, sondern es ist, als ob der Wald, die ganze wilde Natur, einige Schritte näher an einen herantritt. Die Waldgeister grinsen einen an."

Da das Cumarin jedoch im Verdacht steht, in hoher Dosierung zu Leberschäden zu führen und Krebs auszulösen, ist die dezente Variante der Maibowle bestimmt der Gesundheit zuträglicher. Eine erfrischende Maibowle kann man mit Weißwein, Apfelwein oder alkoholfrei mit Apfelsaft ansetzen. Oft wird empfohlen, noch nicht blühenden Waldmeister dafür zu verwenden mit der Begründung, der Cumarin-Gehalt sei in den blühenden Pflanzen höher. In der Literatur findet man jedoch auch Aussagen, dass dies nicht nachgewiesen ist, sondern in der Blütezeit nur Stängel und Blätter härter werden. Auch heißt es, bei allzu reichlichem Genuss von Maibowle können Kopfschmerzen auftreten. Das liegt aber in der Regel nicht an der zu hohen Cumarin-Konzentration, sondern an der Alkoholmenge und der Qualität des verwendeten Weins. Es kommt immer auf die Dosierung an: In Maßen genossen, bringt uns die Waldmeisterbowle ohne Nebenwirkungen beschwingt in den Mai.


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zuletzt bearbeitet am 3.VI.2011