19.Aug.2010

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Blau, rot, gelb, grün – alles Pflaume oder was? Enorme Vielfalt.

Joachim Schmitz

Herbst ist Pflaumenzeit. Dabei denkt bei uns jeder an die typischen dunkelblauen Steinfrüchte. Im Handel findet man aber auch gelbe und rote, meist auch größere und eher kugelförmige Früchte. Dazu kommen dann noch die grünlichen Mirabellen und Reineclauden. Alles das wird in der Art Pflaume (Prunus domestica) zusammengefasst.

Woher kommt diese enorme Vielfalt? Die genaue Abgrenzung und die Entstehung der zahlreichen Formen sind selbst unter Fachbotanikern umstritten. Vermutlich gehen alle Pflaumen auf drei Stammarten zurück:

• Die Kirschpflaume (Prunus cerasifera) wächst baumförmig, blüht reinweiß und bekommt verschiedenfarbige Früchte, deren Fruchtfleisch mehr oder weniger am Stein haften bleibt.

• Die heimische Schlehe oder Schwarzdorn (Prunus spinosa) wächst strauchförmig mit zahlreichen Dornen und kleinen, reinweißen Blüten, die zu kleinen, schwarzblauen Früchten heranreifen. Das Fruchtfleisch bleibt am Stein haften.

• Die ostmediterran verbreitete Prunus cocomilia ist unserer Schlehe ähnlich, hat aber schwach grünliche Blüten und Früchte, deren Fleisch sich leicht vom Stein löst.

Nun darf man sich die Pflaumentypen nicht einfach als Kreuzungsprodukte dieser Arten vorstellen. In Büchern über Obstarten wird das oft leichtfertig behauptet. Aber so geht es nun wirklich nicht. Heute sind Arten ausdrücklich so definiert, dass sie sich nicht mehr kreuzen lassen. Aus dem Biologieunterricht ist vielleicht das klassische Beispiel von Pferd und Esel bekannt. Die Arten sind noch so nahe verwandt, dass die befruchtete Eizelle lebensfähig ist und zu einem Maulesel bzw. Maultier heranwächst. Andererseits sind die Erbanlagen doch schon so unterschiedlich, dass die Bildung der Keimzellen im Maulesel bzw. Maultier nicht mehr möglich ist und die Tiere unfruchtbar sind. Bei Pflanzen kann aber eine Mutation, die zu einer Verdopplung der Erbanlagen führt, diese Schwelle überwinden. So entsteht eine neue Art, die dann mit den ursprünglichen Elternarten nicht mehr kreuzbar ist! Ist so erstmal eine neue Art entstanden, können daraus natürlich auf dem klassischen Weg über gezielte Selektion zahlreiche Sorten gezüchtet werden.

So sind aus der Kombination von Kirschpflaume und Schlehe Formen mit reinweißen Blüten und haftendem Fruchtfleisch entstanden. Die Hafer-Pflaume ist eine sehr alte Form, die noch stark an die Schlehe erinnert, nur größere Blüten und Früchte besitzt. Die Zibarte schlägt eher nach der Kirschpflaume aus, besitzt entsprechend verschiedenfarbige Früchte, trägt aber auch Dornen. Die Halbzwetsche ist ein dornenloser Baum mit blauen, violetten, gelben oder roten Früchten. Hierzu gehören z.B. die Sorten 'Anna Späth', 'Königin Victoria', 'Monfort', 'Rote Dattelzwetsche', 'Blaue Eierpflaume', 'Königspflaume aus Tour', 'Späth Früheste', 'Czar'. Die Edel-Pflaume hat besonders große, besonders saftige und eher kugelförmige Früchte von unterschiedlicher Farbe; auch die Reineclaude gehört hierzu.

Vermutlich aus Kirschpflaume und Prunus cocomilia sind die Sorten mit grünlichen Blüten und sich leicht ablösendem Fruchtfleisch entstanden. Das entsprechende Gegenstück zur Hafer-Pflaume ist der Spilling, der besonders aromatische Früchte hervorbringt und deshalb heute noch in Südeuropa zur Branntweinherstellung benutzt wird. Aus der gleichen Kombination stammt auch die in Deutschland verbreitete Zwetsche oder Zwetschge. Typische Sorten sind z.B. 'Bühler', 'Hauszwetsche', 'Stanley'.

Die Mirabelle ist in ihren Merkmalen keiner der beiden Gruppen zwanglos zuzuordnen. Auch die Zahl der Chromosomen (der Träger der Erbinformation im Zellkern) weicht von allen oben genannten Sippen ab. Vielleicht handelt es sich hier also um eine völlig eigenständige Art.


 

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zuletzt bearbeitet am 18.X.2010