24.Dez.2009

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Ein wiederentdeckter Weihnachtsschmuck –Ilex- oder Stechpalme

Mechtild Feese


Wenn Sie kein alteingesessener „Öscher“ sind, wissen Sie wahrscheinlich auch nicht, was „Schoritteblar“ sind, nicht? Von lieber Seite habe ich - als gebürtige Norddeutsche – erfahren, dass es sich dabei um die Ästchen und die stacheligen Blätter des Ilex aquifolius handelt, die die Schonsteinfeger früher hier in Aachen zu Kugeln zusammen gebunden haben und mit denen sie die Kamine vom Ruß befreiten.

Heute werden die Ilex- oder Stechpalmenzweige mit ihren leuchtend roten Beeren als Weihnachtsdekoration benutzt, ein uralter Brauch, der in den letzten Jahrzehnten von den angelsächsischen Ländern nach Deutschland herübergekommen ist. Schon die alten Kelten und Germanen verehrten die immergrüne Stechpalme als Symbol für Tod und Wiedergeburt, als Symbol der Unsterblichkeit. In winterlichen Ritualen verteilten Druiden fruchtende Stechpalmenzweige an das Volk, und das Volk schmückte mit diesen Zweigen die Häuser innen (außen wurden sie mit Efeu geschmückt), um Feen, Geistern und Walddämonen ein Heim zu bieten und sie der Familie wohl gesonnen zu stimmen. Die Stechpalme galt als königlicher Baum und war der Unterweltgöttin Hel zugeschrieben. Aus ihrem Holz wurden die Zauberstäbe der Hexen geschnitten.

Auch die Römer verwendeten im Bachuskult den Ilex als weiblichen Widerpart zum männlichen Efeu. Sie wurden zu Kränzen zusammengebunden und an verschiedenen latinischen Festen an die Haustüren gehängt. Die frühen christlichen Kirchenväter verdammten den heidnischen Brauch, konnten sich jedoch nicht gegen das Volk durchsetzen und integrierten allmählich die Stechpalme in das christliche Brauchtum.

So wurden die Zweige geweiht. Sie schützten Mensch und Tier vor bösen Dämonen und Blitzschlag. Sie wurden statt Palmwedel hinter das Kreuz im Herrgottswinkel gesteckt und traten an Palmsonntag an die Stelle der oft fehlenden Palmwedel. Das Aschekreuz am Aschermittwoch wurde mit Asche aus verbranntem Ilex und Bux auf die Stirn gemalt.

Stechpalmen sind immergrüne zweihäusige Büsche oder bis 25 m hohe Bäume. Die Äste stehen dicht verzweigt. Auffällig sind die ledrigen kahlen, oberseits dunkelgrün glänzenden, unterseits hellgrün matten Blätter, die an kurzen Stielen wechselständig wachsen. Ihre Ränder sind glatt, gewellt oder mit bis zu sieben spitzen scharfen Dornen versehen. Alle drei Blattformen können an einem Baum vertreten sein: die dornspitzigen Blätter sitzen an den unteren Zweigen, die glatten und gewellten an den oberen. Den Grund dafür sahen die Menschen in dem „Viehverbiss“, mit den Dornen hinderte der Baum das Vieh daran, sich an seinen Blättern gütlich zu tun (und flugs wurde die Stechpalme zum „Baum der weisen Voraussicht“ erhoben). Die Blattoberflächen sind mit einer Wachsschicht überzogen gegen Wasserverlust. Die Blätter können auch an lebenden Bäumen lichterloh brennen. Sie fallen nach drei bis vier Jahren noch grün ab. Auch abgeschnittene Zweige welken nicht und brauchen kein Wasser.

Die Blüten erscheinen im April bis Juni. Sie sind unscheinbar, cremefarben und duften. Im Okto-ber/November reifen die fleischigen Beeren. Sie sind korallenrot und birnen- oder apfelförmig und enthalten vier Samen. Die Früchte sind giftig. Allerdings weiß man wenig über die Natur des Giftes. Fest steht nur, dass sie Leibschmerzen, Erbrechen und Durchfall hervorrufen. 20 – 30 Beeren sollen bereits zum Tode führen.

Das weiße Holz der Stechpalme verkernt nicht. Es ist feinfaserig, zäh, schwer zu spalten. Es brennt gut auch ohne Ablagerung. Man kann es gut polieren. Es wird zu Drechsler-, Intarsienarbeiten oder als Funierholz und zu Holzschnitten – eine heute nur noch selten verwendete Drucktechnik - verwendet. Früher machte man daraus auch Peitschenstiele und Spazierstöcke und die Stöcke, mit denen gerichtlich verhängte Prügelstrafen vollzogen werden.

Als Weihnachtsschmuck wird die Stechpalme umso mehr geschätzt, besonders in den USA, wo es riesige Ilex-Plantagen „Holly Farms“ gibt, in denen große Flächen unter enormen Aufwand ab Sep-tember abgedeckt werden, damit die Vögel nicht die roten Beeren fressen. Die Blätter eines eng Verwandten unserer Stechpalme, Ilex paraguariensis aus Brasilien und Paraguay, liefern die Grundlage für das Nationalgetränk Südamerikas, den Mate-Tee, weshalb er dort gezielt angebaut wird. Der Tee löscht den Durst, wirkt gegen Verstopfung und Rheuma und erhöht den Blutdruck. Er wird oft nach einem strengen Ritus im gemeinschaftlichen Kreis mit einem eigenen verzierten Trinkröhrchen getrunken, das ein jeder mit sich führt.


 

voriger Artikel ← | → nächster Artikel

Auswahl nach Erscheinungsdatum

Auswahl nach Themenstichwort

Startseite

zuletzt bearbeitet am 8.VIII.2010