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Spalierobstbau




An Wänden und Mauern vor allem älterer Häuser, Gärten und Parkanlagen finden sich oft kunstvoll geschnittene, dekorative Obstbaumformen, die als Spalier bezeichnet werden. Spalierobstbäume sind aber nicht nur schön. Sie nutzen sinnvoll den Raum enger und begrenzter Flächen und bringen zudem ansehnliche, gut belichtete und ausgefärbte Früchte hervor.

Seit der Antike gestalten Menschen kunstvolle Gehölze. Die Römer taten das mit Zypressen und Buchsbaum in den Innenhöfen ihrer Villen. Der ´topiarius´, als spezialisierter Gärtner, schnitt aus diesen Pflanzen geometrische Formen oder mythische Tierformen und Figuren. Die Gestaltung mit Gehölzen übernahmen und pflegten die europäischen Fürsten vor allem zu Zeiten des Barock, um Macht und Herrlichkeit zu demonstrieren, ihrer Herrschaft Glanz zu verleihen und die Beherrschung der Natur durch den Menschen bildlich vor Augen zu führen. Obstzucht wurde zur Liebhaberei und Spielerei. Mit Rousseaus naturphilosophischen Ansichten und der Romantik endeten die Bestrebungen, Obstbäume in den Gärten als Spaliere oder in repräsentativen Kunstkronen zu erziehen, die die begüterte, standesgemäße Stellung, den gesellschaftlichen Rang und den Geltungsdrang der Besitzer zum Ausdruck brachten und man überließ die Gehölze wieder mehr ihrem natürlichen Wuchs.



___ Abb. 1: Birnenspalier an einer weißen Hauswand
In dem Maße, wie der Obstbau in der Landwirtschaft mehr und mehr zu einer weiteren Erwerbsquelle wurde, traten die reinen Kunstkronen in den Hintergrund und man kultivierte Obstbäume wieder eher mit einer natürlichen Kronenform, was dann mitunter dazu führte, dass man die Obstgehölze völlig sich selbst überließ, woraus wiederum für die Qualität der Früchte keine guten Ergebnisse resultierten. Mit der weiteren Ausdehnung des Obstbaus als spezieller Erwerbszweig in der Landwirtschaft und im Gartenbau und der Entwicklung intensiver Obstanlagen im 20. Jahrhundert waren dann erneut Änderungen in der Kronengestaltung erforderlich. Die Verwendung schwachwüchsiger Unterlagen, vor allem im Apfelanbau, in intensiven Anlagen mit hoher Pflanzdichte führt daher heutzutage wieder zu Maßnahmen, die bereits zur Zeit des Kunstkronenbaus entstanden sind.

Vorläufer aller Obstspaliere ist sicherlich der Rebstock, der aufgrund seines natürlichen Wuchsverhaltens nicht ohne Stützgerüst auskommt. Jahrtausende alte Bilder zeigen Lauben, die von Weinblättern umkränzt sind. Im Mittelalter wurden Reben an eine schützende Wand gesetzt, wo die Trauben deutlich mehr Wärme erhielten, besser ausreiften und Süße entwickelten. Zu dieser Zeit hatte in vielen Regionen Deutschlands wohl fast jedes Gehöft seine Rebspaliere. Als es nach der mittelalterlichen Warmzeit dann auch unter dem Einfluss von Reblaus und Pilzkrankheiten mit dem Weinbau in Deutschland bergab ging, wurden Reben nur noch in klimatisch begünstigten Gebieten kultiviert.

Durch den Anbau als Spalier können auf relativ kleinem Raum die verschiedensten Obstarten gepflanzt werden. Die klimatisierende Wirkung eines Wandspaliers für ein Haus, aber auch die positive Veränderung des Kleinklimas für den Spalierbaum dürfen nicht unterschätzt werden.

Spaliere können vor eine Wand oder auch freistehend gepflanzt werden.

Zaunartige, freie Spaliere sollten in Nord-Süd-Richtung verlaufen, diese Form ist geeignet für klein- oder schwachwüchsige Gehölze. Bei einem Drahtspalier sollte der unterste Draht in Stammhöhe (d.h. auf Höhe der untersten Tragholzserie) und der oberste Draht in max. 2 m Höhe gespannt werden, damit Pflegearbeiten vom Boden aus gut durchführbar sind. Die Drahtabstände betragen jeweils ca. 30 cm.

Bei einem Wandspalier sollte der Abstand zur Wand 10-15 cm betragen. Die dadurch gute Belüftung mindert das Risiko des Krankheitsbefalls. Durch Wärmespeicherung der Wand entfallen großen Temperaturschwankungen.

Es gibt verschiedene Erziehungsformen für ein Spalier, die alle im Prinzip auf der Grundform des sogenannten Schnurbaums basieren. Generell ist es das Ziel, den maximalen Einfluss von Wärme und Sonnenenergie auf die Blätter des Gehölzes zu ermöglichen.

Die möglichen Erziehungsformen hängen ab von der gewählten Gehölzart (Wüchsigkeit, Elastizität der Triebe), aber auch von Platzangebot und Mode. Aus der strengen, regelmäßigen Hauptform des Schnurbaums können über die U-Form die komplizierteren Formen der sogenannten Palmetten (palmenförmiges, streng symmetrisches Ornament abgeleitet werden:


___Abb. 2: Schnurbaum oder Spindel
1) Schnurbaum = Schlanke Spindel, empfohlen für schwachwüchsige Obstarten:
  • a) senkrecht: Stammverlängerung plus Seitentriebe; frühzeitiger Fruchtbehang bremst Wachstum, damit bleiben Fruchtholztriebe kurz.
  • b) schräg: um 45° geneigte Stammverlängerung; fördert die Bildung von Blütenknospen und damit den Fruchtbehang; durch die diagonale Leitung ist eine längere Mittelachse auch bei niedriger Gesamthöhe des Spaliers möglich. Bei noch stärkerer Neigung Richtung Waagerechte überwiegt das Problem vieler senkrechter Austriebe, die jeweils abgeschnitten werden müssen.

 

2) U-Form: empfehlenswerte mehrschenklige Variante des Schnurbaums. Sie bildet den Übergang zu komplizierteren Formen. Jeweils 2 oder mehr gleichberechtigte Stammverlängerungen werden parallel senkrecht erzogen. Durch die konkurrierenden Stammverlängerungen ergibt sich gegenüber dem einfachen Schnurbaum eine verminderte Wüchsigkeit.

Abb. 3: Doppel U-Spalier______


____________Abb. 4: Verrierpalmette


3) Palmette: Gerade Stammverlängerung mit waagerechten oder 45°-Seitenästen. Diese entsprechen dann jeweils Schnurbäumen, an denen das Fruchtholz entsteht. Besonders für stark wachsende Bäume geeignet.


_________________ Abb. 5: Palmette mit schrägen Ästen


______________________Abb. 6: Palmette mit waagerechten Ästen


Allgemein sollte dem Spalier mindestens 50 cm Stamm belassen werden. Daraus resultiert durch den Abstand vom Boden eine geringere Frostgefahr für das Fruchtholz.

Standortansprüche: Bodenreaktion schwach sauer bis neutral, keine Staunässe.

Sonneneinstrahlung: Beerenobst benötigt Halbschatten, Apfel/Birne benötigen südöstliche oder südwestliche Lagen, Aprikose/Pfirsich/Rebe benötigen südliche Exposition.

Kirschen sind wegen Peitschenastbildung bei der Schattenmorelle und ausgeprägter Spitzenförderung bei den Süßkirschen schwierig zu erziehen.

Unterlässt man den regelmäßigen Schnitt, wandert die Ertragszone (Fruchtholzbildung) immer mehr an die Peripherie.



Schnitt, Pflege und Ernte

Im Winter werden Verjüngungsschnitte durchgeführt. Alle Triebe, die aus der vorgegebenen Form herauswachsen, werden zurückgeschnitten. Bei Spalierobstbäumen ist zusätzlich der Sommerschnitt unerlässlich, um das Wachstum zu begrenzen und die Blütenknospendifferenzierung zu fördern. Dabei werden überzählige, noch krautige Triebe herausgedreht und die verbleibenden eingekürzt, so dass die Blütenknospenbildung für das kommende Jahr gefördert wird und nicht das Triebwachstum. Durch den Sommerschnitt wird auch das Wurzelwachstum eingeschränkt, und damit der Wuchs der ganzen Pflanze gemindert.

Zeitpunkt des Sommerschnitts: nicht zu früh, da sonst eine Ersatztriebknospe austreibt, aber vor der artspezifischen Blütenknospendifferenzierung für das nächste Jahr (z.B. Süßkirsche ab Ende Juni, Apfel ab Mitte Juli).



Formen der Seitentriebe


Abb. 7: Ringelspieße



Abb. 8: Fruchtspieße
Ringelspieße: Ausbildung von geringelten Kurzspießen bei älteren, nicht zu wachstumsfreudigen Bäumen, die gerne Blüten und Frucht bilden; Ringelspieße dürfen nicht geschnitten werden.

Fruchtspieße: länger und glatter als Ringelspieße, dürfen nicht geschnitten werden.

Fruchtruten: Trieb mit mehr als vier bis 5 Blättern von ca. 20 cm Länge, mit Blatt-/Blütenknospe am Ende. Werden nur dann geschnitten, wenn ausreichend Ringel- oder Fruchtspieße zur Fruchtbildung vorhanden sind.


____________ Abb.9 : Fruchtruten


Der Baumabstand bei senkrechten Schnurbäumen sollte ca. 50 cm betragen. Die Seitentriebe dürfen nicht länger als 20-25 cm werden. Seitentriebe, die dichter als 10-15 cm aufeinander folgen oder in Wandrichtung zeigen, werden entfernt (ausgebrochen). Zeitpunkt für diesen Schnitt ist bei starkem Wuchs Mitte Mai; bei schwachem Wuchs erst im August.


______Abb. 10: Behandlung eines Triebes zur Bildung von Fruchtholz
Verbleibende Seitentriebe, die länger als 35 cm austreiben, werden "entspitzt" (="pinziert"), d.h. nach dem 7. oder 8. Blatt abgebrochen. Die dann in der Regel zwei erneut austreibenden Triebe, werden nach dem 4. Blatt entspitzt und im nächsten Jahr entfernt. Um gleichmäßige Seitentriebe zu erhalten, bindet man stark wachsende Triebe waagerecht und schwachwachsende zur Förderung zunächst senkrecht.


Jedes Frühjahr wird der Austrieb der Stammverlängerung bis auf 40 cm kurz hinter einer Knospe zurückgeschnitten.

Abb. 11: Rückschnitt im Frühjahr


Für die Stärke des Rückschnitts der Stammverlängerung gilt folgender Grundsatz:
  • je besser und gleichmäßiger die Seitentriebe am Baum entwickelt sind, umso länger wird die Stammverlängerung angeschnitten.
Für die Behandlung der Seitenäste gilt:
  • bei einer kräftigen Stammverlängerung hält man die Seitentriebe etwas länger;
  • bei einer schwachen Stammverlängerung dagegen kürzer.


Was ist zu tun, wenn ein Ast nur Triebe, aber keine Ringelspieße und auch keine Fruchtspieße bildet?

In diesem Fall ist es ganz wichtig zu erkennen, dass ein Übermaß an Entspitzen immer wieder zur Bildung neuer Holztriebe führt. Lässt man diesen Ast in Ruhe, so ist die Aussicht auf Er-folg (Bildung von Kurztrieben) wesentlich größer.


Regulierung des Fruchtbehangs:
Hohe Erträge bremsen das Wachstum entscheidend. Regulierend kann und sollte eingegriffen werden:
  • a) durch Blütenausdünnung
  • b) durch Fruchtausdünnung im Juni (ca. 21-24 Früchte sollen sich pro m² Kronenfläche am Baum befinden).



Verwendete Literatur:

Großmann, G. & Wackwitz, W.-D. 1998: Spalierobst. - Ulmer, Stuttgart
Pratt, J.-Y. 2005: ABC des Obstgartens. - Gondrom, Bindlach

Abb. verändert nach:
Großmann, G. & Wackwitz, W.-D. 1998: - Spalierobst, Ulmer, Stuttgart
Gaucher, N. & Kache, P. 1923: Die Veredelungen der Bäume und Sträucher. - 4. Aufl. Parey-Verlag Berlin


 
 

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zuletzt bearbeitet am 24.XII.2005